Samstag, 12.11.2016

Ein Fall von "Fahrerflucht" !?

Jetzt kommt ein richtiges Abenteuer (das beinahe zu cool für eine Begrüßung wäre...)

Buenas Noches! 😉

Kurz nach Mitternacht in der Flota von La Paz nach Sucre. Auf ein Mal werde ich wach und merke, dass alle und alles um mich herum in wilder Aufruhr sind. Kati scheint schon etwas länger wach zu sein und sich mental von ihrem gesammten Gepäck verabschiedet zu haben. Es wirkt sogar berechtigt... Mist. So richtig wach werde ich dann allerdings doch erst, als ich begreife, was der Lärm ist. Schläge der anderen Insassen gegen die Buswände und die Tür zur Fahrerkabine. Ich begreife, dass es sich nicht um das typische Zeichen für "Hey, mach auf, lass mich raus, ich muss mal!" handelt, das ich total hätte nachvollziehen können, wir haben es vor der Abfahrt nichtmehr geschafft. Dann komme ich jedoch nach und nach zurück in die Realität und alles sickert zu mir durch:

Wir stehen bereits 40 Minuten. Es ist keiner von den Fahrern mehr da und die Tür zu uns von außen abgeschlossen. Die Außentür allerdings steht offen. Keiner weiß, was passiert ist und wo Fahrer und co hinverschwunden sind. Kati ist nicht alleine mit der Angst ums Gepäck. In diesem Buss den wir auf den ersten Eindruck alle nicht verlassen konnten, dessen Insassen, mit Ausnahme der noch Schlafenden, alle panisch waren, hat es dann auch mich gepackt.

Kati ist bei den Aktivsten um mich rum dabei, die versuchten vorbeifahrende Autos und Busse auf uns aufmerksam zu machen. Schreie, winken und LeuchtSOS mit dem Handy aus dem Fenster, dazu das unaufhörliche Trommeln gegen Buswände und die Innentür. Ein Mann versucht sich daran im Handytaschenlampenlicht das Schloss zu knacken und es wird die Überlegung laut die Tür einfach einzuschlagen. Alles ohne Erfolge! Auch die Vorbeifahrenden scheinen unbeeindruckt und das Maximum an Reaktion bleibt eine Lichthupe. Die Busfenster sind vielleicht auf 3 Meter Höhe und nachdem ein Mann mehrfach überlegt hat durch sie auszusteigen, aber nie weiter als mit einem Bein kam, entschließe ich mich dazu diesen Teil zu übernehmen und erkläre das meinen Nachbarn. Mein einziger aktueller Zweifel bezieht sich auf meine Sprachkenntnisse. Was würde es helfen, wenn ich leicht verschlafen draußen stehen würde und mir die Vokabeln zum erklären fehlen?

"Demasiado alto! Demasiado alto!" Die anderen finden, es wäre zu hoch doch ich kann irgendwann durch meine Größe überzeugen. 😀 Zögerlich wird mir der Weg zum nächsten Fenster, dass man öffnen kann und nicht auf der Seite der Straße liegt, freigemacht: Ein Bein aus dem Fenster. Zweites Fenster auf um mich von Außen festhalten zu können. Aus dem Fenster geschoben hänge ich noch kurz da und bekomme helfende Hände entgegengestreckt. Ist ja süß gemeint, aber was um alles in der Welt soll ich in diesem Moment damit anfangen?! 3 2 1 Fallenlassen. 😎

Von außen betrete ich die Fahrerkabine und öffne die verschlossene Tür. Wir hatten nicht die geringste Chance sie von innen aufzubekommen, da mit einem Metallbolzen zwei Fassungen blockiert wurden. Da die größte Frage ja immernoch unser Gepäck ist gehe ich, nachdem auch alle anderen befreit sind zum Gepäckraum und öffne auch diese Tür. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen, als ich, schon durch einen kleinen Spalt, gestapelte Taschen, Rucksäcke und Koffer sehe. Doch dann liegen da noch Füße! 😮 Und mir kommt kurz nach einem "Muchas Gracias!" ein Mann entgegengeklettert, der offensichtlich geschlafen hatte. Ich habe den ausgeruhten Zweitfahrer gefunden. Zeitgleich steigen die ersten aus und versuchen etwas über den Verbleib der anderen herauszufinden. Wiedereinmal erfolglos. Im Nachhinein kann ich wohl sagen, dass die anderen Leute, genau wie ich, etwas neben der Spur gewesen sein müssen. Wie auch anders? Eine Frau kommt zu mir, gibt mir die Hand und bedankt sich; viele wollen von mir nun eine Erklärung hören, wo wir sind und was passiert ist; wieder andere sehen mich an als wäre ich Schuld an allem, da ich aus lauter Hunger wohl den anderen Fahrer aufgegessen haben soll.

Eben schnell eine Pipipause, bei der ich zur Abwechslung nun Angst um meinen Allerwertesten hatte, da ein Straßenhund mir simbolisierte, dass dies sein Revier sei. Kurz darauf erklärt der neue Fahrer, dass es weitergehen könne. Also alle wieder einsteigen und weiter gehts. Kati sagte dann ganz passend: "Hast du einmal Fahrerschwund; schau einfach in den Untergrund." 😛 Anschließend erzählt sie mir von dem komischen Gefühl, dass zwischenzeitlich auch von unten schon Schläge gekommen waren, sie sie nur nicht zuordnen konnte...

Wie soll man denn nun wieder schlafen?

  1. 00:00h Tiefschlaf
  2. 00:10h verwirrter Halbschlaf
  3. 00:20h Panik
  4. 00:30h Außen am Bus hängen
  5. 00:31h Ersatzfahrer im Gepäckraum finden

Na gute Nacht auch. 😎

Angekommen in La Paz mit zwei Stunden Verspätung kloppft mir ein Mann beim Aussteigen auf die Schulter und bedankt sich. Er sagt, genau wie zwei weitere Frauen etwas später, dass wir ohne mich nie angekommen wären und ersehr froh ist. Möchte ich darüber nachdenken, was passiert wäre wenn ich nicht aufgewacht wäre und wie wir sonst überhaupt weitergekommen wären? Wohl lieber nicht. Dafür bin ich mir nun der Verantwortung eines Busfahrers und der Auswirkungen von Alkoholkonsum am Steuer bewusst.

Eure Salome 😘